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Nokia 9210 Testbericht Aktualisierung
2007-03-08
Psion-Killer?

Die Standardantwort zur Einstellung der Psion-Handheld-Produktion könnte bald lauten: Na und? Es gibt ja den Communicator und der kann ja wenigstens genau so viel und das noch dazu in Farbe.

Nokia 9210Das erste, was die PC Suite vom Installateur verlangt, ist, dass er PsiWin von der Festplatte restlos entfernt. Vorher muss man noch - wie bei allen Softwarepaketen - die Bedingungen des Softwarelieferanten, die hier mehr als streng sind, akzeptieren: Nicht nur die Software, auch die Scheibe selbst bleiben «physisches Eigentum». Ausserdem darf eine Sicherungskopie der CD - wirklich nur eine! - nur auf einem magnetischen Datenträger angefertigt werden, der dann auch Eigentum von Nokia wird, und schliesslich darf die Software auch nur auf einem Computer installiert werden. Bei anderen Anbietern heisst es meist, dass die Software nur auf einem Computer gleichzeitig eingesetzt werden darf. Beim Communicator wird man wohl meist - hoffentlich nur theoretisch - mit einem Fuss im Gefängnis stehen, denn wie soll man seinen Computer im Büro und den daheim unter diesen Bedingungen ohne Rechtsverletzung auf den gleichen Stand bringen? Bitte liebe Nokia ändere das rasch!

Die Installation
Eine Redaktion hat es natürlich leichter als ein einzelner Endkunde. Die Psion-Installation sollte natürlich nicht entfernt werden, zumindest so lange nicht, bis wir sicher sind, dass es mit dem 9210 klappt, also geht man zu einem anderen Computer im Netzwerk und installiert dort die PC Suite. Pech gehabt, dort läuft noch Office 95 mit Schedule+. Das versteht zwar der Communicator, Schedule+ versteht aber die Outlook 2000-Datei, die die realen Daten enthält, leider nicht. Also muss ein dritter PC her, auf dem passenderweise auch Outlook vorhanden ist und der auch Zugriff auf den Server hat. So, jetzt können wir installieren. Die Installation läuft problemlos, nur manche Anweisungen sollte man nicht wörtlich befolgen: Der Befehl «Entfernen Sie alle Datenträger aus allen Laufwerken» wird, wenn befolgt, sofort mit einer Fehlermeldung, die sich darauf bezieht, dass die Installations-CD abhanden gekommen ist, beantwortet. Also doch wieder einen Datenträger in ein Laufwerk einlegen.

Die Synchronisation
Nach erfolgreicher Installation sollen natürlich die Kontaktdaten aus Outlook auf den Communicator. Der Communicator benutzt dazu den systemübergreifenden neuen SyncML-Standard, während die Psion-Geräte mit PsiWin über eine eigene Synchronisationssoftware für Windows, die nur zwischen diesem und dem Psion funktioniert, verfügen. Während bei PsiWin im Leerlauf gerade zwei Tasks (elogerr und psconsv) aktiv sind, sind es beim Communicator mit SyncML deren vier (broadcastproxy, connectstate, ectaskschedule, elogerr). Sobald man die Geräte anschliesst, kommen beim Revo (copyany, prc32eng, wprntsvr) und beim Communicator (capman, copyany, prc32eng) je drei Tasks dazu. Während der Synchronisierung holt sich der Revo noch einen Task (syncapp) dazu, der Communicator geht da etwas frugaler mit dem System um: vier zusätzliche Tasks (ecce, PC Suite Aufgabenplaner, PC Suite Vereinigen, Synchronisierung). Schliesst man dann das Ganze nach erfolgter Synchronisierung, belegt der Communicator noch immer vier Tasks (capman, broadcastproxy, ectaskschedule, elogerr), der Revo keinen mehr.
    Die etwas langweilige, weil zeitraubende Synchronisation mit der Outlook-Kontaktliste erfolgte dann aber offensichtlich problemlos. Bei der Zeitschätzung tut sich der gute 9210 aber etwas schwer, denn bei der geschätzten Zeit bis zum Ende der Synchronisation springt die Zeitangabe wild hin und her: noch 20 Minuten, noch vier Minuten, noch 17 Minuten, noch 0 Minuten, noch 24 .... Tatsächlich waren es dann wirklich neun Minuten.
    Mit der gleichen Kontaktdatenbank zuzüglich Kalender brauchte der Revo mit PsiWin knapp eine Minute. Wir vermuten, dass der Zeitunterschied durch die Synchronisierung mit SyncML entsteht. SyncML ist ein übergreifender Standard, der natürlich mit mehreren unterschiedlichen Systemen arbeiten kann wie PsiWin. Aber wie bei allen Softwarelösungen der letzten Jahre - egal von welchem Hersteller - drücken diese Fähigkeiten auf die Performance.
    Bei einer erneuten Synchronisation des 9210 mit Outlook - diesmal mit den «vereinigten» Aufgaben Kontakte und Kalender zu synchronisieren, brauchten wir übrigens nur mehr fünf Minuten.

Mehrkönner
Der Communicator und die Psions sind bekanntlich über das Betriebssystem EPOC verwandt. Während aber die letzten Psions die Version 5.0 verwenden, kommt im Nokia die neuere Version 6.0 zum Einsatz, die sich in einigen Bereichen - so eben z. B. in der Synchronisierung - deutlich unterscheidet. Dennoch wird es einem Psion-User relativ leicht fallen, mit dem neuen Communicator zu arbeiten, wenn ihm auch die Hilfe der Stifteingabe abgehen mag. Die Steuerung des Displays erfolgt im Prinzip nur über die grosse Kursortaste und die Returntaste. Das Ansteuern der einzelnen Applikationen erfolgt, wie beim «alten» Communicator über Tasten am oberen Rand der Tastatur. Ein Prinzip, das auch Psion-Usern nicht unbekannt ist.
    Der wichtigste Unterschied - abgesehen davon, dass man mit dem Communicator auch telefonieren und im Internet surfen kann - besteht in zusätzlichen Anwendungen. Im Unterbereich «Office» findet sich neben den bekannten EPOC-Paketen Word und Tabellen auch noch ein Punkt Präsentation. Hier kann man sich Powerpoint-Dateien ansehen. Die Darstellung hat zwar eine Menge Einschränkungen - Bilder konnten wir nicht übertragen und auch die Textformatierung ging teilweise verloren -, aber so ungefähr kann man sich schon ansehen, was da präsentiert werden soll.
    Word-Dateien und Tabellen kann man direkt drucken, sofern ein Infrarotdrucker zur Verfügung steht. Beim Druckbefehl schaltet sich die Infrarot übertragung automatisch ein und beginnt nach einem Drucker zu suchen. Man hat hier die Wahl zwischen einer ganzen Reihe von Druckern (Canon Bubblejet BJ- oder LQ-Modus, Citizen PN60, Epson LQ-860, HP DeskJet 340, 660C, LaserJet 3 und 4, sowie ein allgemeiner Druckertreiber). Die übertragung zwischen PC und Communicator erfordert - wie bei Psions - eine Umwandlung der jeweiligen Datei. Was eher schwierig ist, ist die Formatierung von Schriftarten, die ist bei dieser neuen Word-Version ebenso gut versteckt, wie viele andere Funktionen auf dem 9210. Nach einiger Übung entdeckt man aber immer mehr Möglichkeiten, die das Arbeiten mit dem Gerät erleichtern. Aber vor dem Erfolg kommt, wie bei vielen Geräten, das Suchen. Als alter Psion-Anwender weiss man allerdings, was das Gerät können muss und findet die entsprechende Funktion dann auch - und mehr.

Über Psion hinaus
Nokia 9210Was dem Psionisten bisher abgegangen ist - es sei denn er nannte ein netBook sein eigen, aber das fällt wohl kaum unter Organizer - ist ein Farbdisplay. Das hat er hier - und was für eines. Unserer Meinung nach gibt es derzeit kein besseres Farbdisplay auf dem Markt, das Compaq-iPaq-Display ist das einzige, das wir als gleichwertig einstufen.
    Das schöne Farbdisplay hat aber einen Preis: Es ist schlicht kleiner als das Display des vorherigen Communicators. Nicht viel, aber wenn man beide Communicatoren nebeneinander stellt, merkt man den Unterschied. Und weil man schon beim Sparen war, hat man auch das Handydisplay auf der Frontseite etwas verkleinert.
    Ein weiterer Preis, den man für ein Farbdisplay zu bezahlen hat, ist die ständige Suche nach Schatten: Im hellen Sonnenlicht ist auf einem guten Farbdisplay praktisch nichts zu erkennen, denn das Gemeine daran ist, je besser das Farbdisplay bei Kunstlicht ist, desto schlechter wird es bei Sonnenlicht. Beim 9110 hatte man noch einen guten Kompromiss finden können: Hintergrundbeleuchtung einschalten oder ausschalten, je nach Umgebung. Das geht aber nur bei einem Monochromdisplay gut.
    Die EPOC-Software scheint ebenfalls einige Veränderungen mitgemacht zu haben, die sowohl für Anwender des vorigen Communicators, der ja sein Betriebssystem von Geoworks hatte, als auch für Psionics verwunderlich ist. Beim Communicator 9110 hatte man neben dem Display eine Taste, mit der man die Darstellung zoomen konnte. Beim Psion war es ebenso. Jetzt muss man zuerst die Menütaste drücken, auf «Vergrössern» bzw. «Verkleinern» fahren und damit die Veränderung der dargestellten Schriftgrösse auslösen. Während der 9110 drei Grössenstufen hatte, kannte der Revo nur deren zwei und entspricht damit exakt dem, was der neue EPOC-Communicator auch kann. Aber vermutlich gehört das Einsparen von Tasten zu einem Sparprogramm, das Symbian den EPOC-Lizenznehmern verordnet hat.
    Was natürlich kein Psion zu bieten hat, ist das eingebaute Telefon - wir sehen ja diesmal das Gerät mehr als Handheld -, das eine Menge Probleme erspart: Kein genaues Ausrichten der Infrarotschnittstelle, kein Umstellen der Treiber und natürlich auch keinerlei Kompatibilitätsprobleme zwischen Handy und Organizer. Hat man den 9210 einmal eingerichtet, dann wird im Internet gesurft, da werden E-Mails abgerufen und gesendet und natürlich kann man auch WAPen. Das man so nebenbei seinen Kalender, seine Kontaktliste usw. bei sich hat, ist für Anwender des Communicators genau so selbstverständlich, wie für Besitzer eines PDAs, der aber eben «nur» ein Organizer ist.

Tasten sind relativ
Als der Communicator 9000 auf den Markt kam, da fanden die Kritiker, dass das Gerät zu gross und zu klobig ist. Als der 9110 folgte, hiess es wieder, dass die Tastatur zu klein sei. Ausserdem war die Tastenbelegung nicht nach jedermanns Geschmack. Mit dem 9210 scheint Nokia aber die Quadratur des Kreises gelungen: Der Formfaktor des erfolgreichen 9110 wurde beibehalten. Trotzdem gelang es, die Tasten deutlich zu vergrössern. Ausserdem findet man jetzt auch die Sondertasten dort, wo man sie als PC-User erwartet.

Noch mehr ist relativ
Auf den ersten Blick hat der 9210 die gleiche Form wie sein Vorgänger. Bei näherer Betrachtung merkt man aber auch Unterschiede. So ist das neue Oberteil wegen des Farbdisplays deutlich dicker als das alte. Dieser Platz wurde beim Unterteil wieder gewonnen, womit die Gesamtstärke annähernd gleich bleibt. Der Preis dafür: Akkus des 9110 kann man im 9210 nicht verwenden. Das trifft auch auf die Ladestation und die Autohalterung zu, denn durch die Verschmälerung des Unterteils wandert die an sich gleiche Steckerleiste weiter zur Gerätekante. Damit passt der 9210 nicht in bisheriges Zubehör.

Kaufen - oder nicht?
Unser Bericht mag im ersten Moment wenig euphorisch klingen, aber der geneigte Leser weiss, dass wir lieber etwas zu kritisch als zu unkritisch sind. Für Techno-Freaks ist der neuen Communicator ohnehin ein «Muss», was aber ist mit allen anderen potentiellen Anwendern? Wir haben den 9210 sicher noch nicht vollständig ausgetestet, aber nach dem ersten Eindruck geben wir bereits Kaufempfehlungen ab:
    Wenn Sie ihr Revo wegen eines «gestorbenen» Akkus endgültig verlassen hat, dann ist der 9210 ein geradezu idealer Ersatz. Alles was sie mit dem Revo konnten, können Sie nach kurzer Zeit mit dem 9210 auch. Der 9210 wäre ein echter «Psion-Killer» - hätte Psion nicht schon vorher aufgegeben.
    Wenn Sie einen Communicator 9110 besitzen und lieber ein Farbdisplay haben wollen oder Wert auf einfache Synchronisation mit dem PC legen, dann sollten Sie den 9210 als Nachfolger erwerben. Wenn Sie irgendein Handy mit irgendeinem Organizer benutzen, um ins Internet zu kommen, dann sollten Sie sich den 9210 sehr genau anschauen, denn er erspart eine Menge Verbindungsprobleme.
    Gefährlich ist der Communicator 9210 für Leute, die bisher einen PocketPC genutzt haben - der 9210 könnte Sie vom Glauben an Bill Gates abfallen lassen und Palm-User sind hierzulande ohnehin meist noch monochrom ...
Franz A. Köttl


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